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Historische Photographien aus Palästina

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Das Gustaf-Dalman-Institut Greifswald

 

Dalman am Toten Meer

Gustaf Dalman am Toten Meer, 19. November 1921 (Ausschnitt), Sammlung: Gustaf-Dalman-Institut Greifswald, Signatur: K X 2

Das Gustaf-Dalman-Institut der Theologischen Fakultät der Universität Greifswald feierte 1995 sein 75jähriges Bestehen. Mit der Ausstellung »Palästina zu Beginn des 20. Jahrhunderts«, die im Mai 1994 im Konzilsaal der Universität gezeigt wurde, trat das Institut eigentlich zum ersten Mal vor eine breitere Öffentlichkeit. Ansonsten dient es nach der Intention seines Begründers, dessen Namen es auch trägt, der Ausbildung von Studenten. Es soll die Ergebnisse der Palästinaforschung vermitteln und auf einen möglichen Studienaufenthalt im Lande selbst vorbereiten.

Gustaf Dalman hatte sich schon bald nach seiner Berufung nach Greifswald im Jahre 1917 für die Errichtung eines solchen Instituts eingesetzt und brachte selbst die allerbesten Voraussetzungen dafür mit. Allerdings hatte sein beruflicher Werdegang zunächst in eine andere Richtung gewiesen. 1855 in Niesky in der Oberlausitz als Gustaf Marx geboren – erst 1886 nahm er den Mädchennamen seiner aus Schweden stammenden, früh verstorbenen Mutter an – studierte er am Theologischen Seminar der Brüdergemeine und wirkte dort sechs Jahre als Dozent, bis ihn 1887 der Alttestamentler Franz Delitzsch als Lehrer an das ein Jahr zuvor gegründete Institutum Judaicum nach Leipzig holte. Dalman hatte bereits in Leipzig den Licentiatengrad erworben und zum Dr. phil. promoviert. 1891 habilitierte er sich für Altes Testament. Seine Hauptarbeitsgebiete in dieser Zeit waren Judentum und Judenmission.

Eine 15monatige Reise nach Syrien/Palästina 1899–1900, auf der er die Lebensweise der Bauern und Beduinen teilte, ihre Kleidung und ihre Haus- bzw. Zelttypen, ihre Art, Brot zu backen und den Acker zu bestellen und die Gepflogenheiten ihrer Gastfreundschaft studierte, wurde für sein weiteres Leben entscheidend. Das Studium an Menschen und Sachen statt an Manuskripten und Büchern gefiel ihm außerordentlich. So nahm er ohne zu zögern den Ruf an, als erster Direktor des 1902 gegründeten Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes nach Jerusalem zu gehen und hat bis 1914 dieses Instiut nicht nur aufgebaut, sondern auch ganz wesentlich geprägt.

Das Institut sollte junge Theologen mit dem Heiligen Land in seiner ganzen Vielfalt vertraut machen. Dazu gehörte nach Dalmans Auffassung die Beschäftigung mit der Geographie und den klimatischen Bedingungen, mit Tier- und Pflanzenwelt und den Gesteinen, mit Ortslagen, Verkehrswegen, Wohnstätten, Heiligtümern, Gräbern und Inschriften, Sprachen und Sitte. Entsprechend hatte das Museum des Instituts eine archäologische, eine ethnologische und eine naturwissenschaftliche Abteilung mit unter anderem einem annähernd 1.000 Exemplare umfassenden Herbarium, einer Gesteinssammlung, einer Sammlung keramischer Proben, mit Haus- und Ackergeräten und Modellen von Keltern, Grabanlagen und Bauernhaustypen, Kostümen und Musikinstrumenten.

Der 1. Weltkrieg unterbrach die Arbeit des Instituts, und Dalman, der im Sommer 1914 seine Ferien in Deutschland verbracht hatte und keine Möglichkeit sah, nach Jerusalem zurückzukehren, folgte zum 1. Oktober 1917, im Alter von 62 Jahren, dem Ruf nach Greifswald auf ein alttestamentliches Extraordinariat. Seine Bemühungen um ein Palästinainstitut in Greifswald entsprangen keinesfalls nur dem persönlichen Wunsch, die Jerusalemer Arbeit in irgendeiner Weise fortzusetzen und den Studierenden als möglichen Ersatz für eine Reise ins Heilige Land wenigstens davon zu erzählen. Für ihn gehörten vielmehr Theologie und Palästinawissenschaft untrennbar zusammen, da sich ja die biblische Geschichte in einem ganz konkreten Land ereignet hat, Jesus einem bestimmten Volk zugehörte, nämlich Jude war und die Bibel auf dem Boden Palästinas entstanden und davon geprägt ist. Wo immer Theologie das vergißt, verliert sie buchstäblich den Boden unter den Füßen.

Nachdem die »Gesellschaft der Freunde und Förderer der Universität Greifswald« 1.000 Mk für das Institut bereitgestellt hatte, erteilte der Minister am 31. Januar 1920 die erforderliche Genehmigung. Mehr noch als in Jerusalem selbst war natürlich Anschauungsmaterial nötig, und das meiste, was das Institut heute in dieser Hinsicht aufzuweisen hat, stammt aus Dalmans eigenem Besitz: eine Gesteinssammlung und eine Sammlung der Erdarten des Landes, eine für Palästina fast vollständige Hölzersammlung, ein Herbarium mit über 900 Arten, Produkte der Getreideverarbeitung (Grobhäcksel, Feinhäcksel, Mehl, Grieß etc.) Und allerhand Samen in Glasfläschchen, eine bescheidene archäologische Sammlung, einige Sicheln, Hirtenstöcke, eine Steinschleuder, ein hölzernes Türschloß, zwei von Dalman angefertigte Webstuhlmodelle, ein Strohteller, zwei Schalmeien – um das Wichtigste zu nennen. Dazu kommen ungefähr 15.000 Photos (Diapositive und Papierbilder), die teils von Dalman, teils von Lehrkursteilnehmern stammen und von Dalman während des Krieges zusammengetragen worden waren. Mit diesen mindestens für Europa, wenn nicht darüber hinaus einzigartigen Sammlungen dokumentiert das Gustaf-Dalman-Institut ein Bild von Land und Leuten in Palästina vor dem 1. Weltkrieg, wie es schon wenige Jahre später durch den wachsenden europäischen Einfluß nicht mehr zu finden war.

Prof. Dr. Hans-Jürgen Zobel, von 1972–1993 Inhaber des Lehrstuhls für Altes Testament und gleichzeitig Direktor des Gustaf-Dalman-Instituts, bot regelmäßig Lehrveranstaltungen zu Archäologie und Landeskunde Palästinas an, aber erst die Wende ermöglichte dem Institut wieder Kontakte nach außen: 1992 fand die erste Exkursion nach Israel statt. Seitdem wurden auch die Bestände der Sammlungen von in- und ausländischen Fachleuten für Forschungszwecke und Publikationen genutzt, und mit dem »Deutschen Evangelischen Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes« in Jerusalem, dessen Tochtergründung das Gustaf-Dalman-Institut ja ist, gibt es mittlerweile Vereinbarungen über die Zusammenarbeit auf verschiedenen Gebieten.

Als Gustaf Dalman 1940 nach Herrnhut zog, wo er 1941 starb, erwarb die Gustaf-Dalman-Stiftung, die anläßlich seines 70. Geburtstages 1925 ins Leben gerufen worden war, seine Sammlungen sowie seine palästinakundliche und judaistische Bibliothek. Durch Prof. Dr. Thomas Willi, Inhaber des Lehrstuhls für Altes Testament, Religionsgeschichte und Geschichte des Judentums, wird dieser Bereich des Gustaf-Dalman-Instituts wieder besonders gepflegt und in die Ausbildung der Studenten einbezogen, während Prof. Dr. Christof Hardmeier in der Nachfolge von Prof. Zobel als Lehrstuhlinhaber und Direktor des Gustaf-Dalman-Institutes vor allem die Landeskunde Palästinas vertritt.


© 1996 Julia Männchen, 1997–2001 Raymond Jarchow, Thomas Neumann